Auf Venedigs Laguneninsel Guidecca baut seit Jahrzehnten Franco Crea original venezianische Gondeln. Er ist einer von drei Großmeistern des Gondelbaus. Vor 100 Jahren gab es noch 50 Venezianer, die dieses Kunsthandwerk beherrschten. Die Rote Gondel baute Franco vor sieben Jahren für einen wohlhabenden Venezianer, der am Canal Grande in einem der grandiosen Palazzi lebt.
Aber das venezianische Rudern ist auch für einen Venezianer keine leicht zu lernende Angelegenheit. Immerhin ist das Boot fast 11 Meter lang. Schon ein leichter Seitenwind erfordert eine schnelle Reaktion und ein versiertes Manöver, damit das Boot nicht auf Abwege gerät. Genau das aber widerfuhr dem Vorbesitzer. Ein kleiner Unfall nahm ihm die Lust an dem Boot und so gab er es dem Gondelbauer zurück. Einige Gondoliere interessierten sich für das Boot und wollten es kaufen. Doch die Farbe sollte nicht bleiben, weil Touristengondeln schwarz lackiert sein müssen. Franco Crea ist mitte Siebzig und verbiegen muss er sich für niemanden mehr. Er entschied, die Gondel solle rot bleiben. Denn so hatte er sie gebaut. Basta!
Zwei Jahre lang lagerte sie in einer Halle. Mir gefiel sie sofort. Aber ich war doch unsicher, ob ich zugreifen sollte. Denn bis dahin war ich nur mit einem Sandolo unterwegs gewesen. Das ist ein sehr einfaches und viel kürzeres venezianisches Boot.
Eine Gondel mit ihren 11 Metern hingegen, das war eine große Herausforderung für mich. Würde ich es wirklich schaffen, dieses Boot auf dem Main gegen die Strömung nach vorne zu bringen und auf Kurs zu halten? Kurze Zeit später kamen anlässlich einer Regatta meine Frankfurter Ruderfreunde nach Venedig. Sie sollten das Boot begutachten. Die einhellige Meinung: „Wenn Du diese Gondel nicht kaufst, dann brauchst Du auch keine andere zu kaufen.“ Drei Monate später fuhr ich mit meinem VW-Bus und einem Hänger nach Venedig, um das Boot nach Frankfurt zu holen.